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Viele Gründe, die keinen Fraktions-Ausschluß rechtfertigen PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Heiko Hilker   
Samstag, 20. September 2008 um 15:06

Die LINKE Fraktion im Sächsischen Landtag hat am Donnerstag letzter Woche nach fast fünfstündiger Debatte beschlossen, gegen Ronald Weckesser ein Fraktionsausschlussverfahren einzuleiten. Dem stimmten in offener Abstimmung 19 Abgeordnete zu, sieben waren dagegen, eine Abgeordnete enthielt sich. Anlass war die Zustimmung Ronald Weckessers zu einem

vom rechtsextremen Nationalen Bündnis eingebrachten Antrag im Dresdner Stadtrat. Ronald hatte dies zwei Tage später als schweren politischen Fehler bezeichnet.
In der Debatte wurde ihm vieles vorgeworfen. Doch welchen Grund kann es geben, einen Linken aus der LINKEN auszuschließen? Viele der Abgeordneten haben so ihren Grund bzw. ihre Gründe.
Kann man Ronald Weckesser heute vorwerfen, dass seine politische Streitgenossin Christine Ostrowski sich vor 15 Jahren mit einem Jungfunktionär der NPD zum Frühstück traf? Nun, dies wäre Sippenhaft.
Ist es heute, nach 13 Jahren angebracht, seinen Brief aus Sachsen anzuführen, der damals nicht einfach abgetan sondern eine breite politische Debatte über die Zukunft und Strategie der PDS auslöste?
Wieso wirft man Ronald vor, dass er nicht so engagiert ist, wie man ihn selbst von außen wahrgenommen hat? Schließlich hätten die Gewerkschafts-Chefinnen seine Kompetenz und sein Engagement gepriesen. Diesem Außenbild sei er nicht gerecht geworden, nicht auf den Fraktionssitzungen. Doch hat sich das Bild der Gewerkschafts-Chefinnen geändert? Und ist es Aufgabe eines Abgeordneten, dem Vorstand immer engagiert zu erscheinen? Und woran mißt sich dieses Engagement? An Wortbeiträgen? An der Zustimmung zu Vorstandsinitiativen? An der Teilnahme bei Sitzungen? Oder ist nicht der Politiker bzw. die Politikerin erfolgreich, dem bzw. der es ab und zu gelingt, die Herrschenden durcheinander zu bringen und Sachsen konkret zu verändern?
Wie kann man Ronald vorwerfen, dass er im Dresdner Stadtrat wesentliche politische Forderungen der Landtagsfraktion, wie das kostenlose Mittagessen für Schülerinnen und Schüler nicht umsetzt, wenn erst wenige Tage zuvor die LINKE Chemnitzer Sozialbürgermeisterin Heidemarie Lüth einen Antrag der LINKEN auf ein Sozialticket ablehnt. Begründung: Sie hat die 2,7 Millionen Euro dafür nicht. (Der LINKE Chemnitzer Fraktions-Chef Hubert Gintschel räumte gegenüber der FREIEN PRESSE ein, dass der Antrag aus Wahlkampf-Gründen eingebracht wurde.) Wie kann man seine Entscheidung über ein Ausschlussverfahren davon abhängig machen, ob Ronald Weckesser erklärt, die Dresdner Koalition mit der CDU zu verlassen? Eine Koalition, die es so nicht gibt. Zudem ist Dresden nicht die einzige Landeshauptstadt, in der LINKE und CDU zusammenarbeiten. In Schwerin gibt es jetzt Verstimmungen zwischen CDU-Stadtratsfraktion und CDU-Stadtvorstand, weil der Vorstand erklärt hat, im Oberbürgermeisterwahlkampf den SPD-Kandidaten zu unterstützen. Dies stört die Kreise von Gerd (Böttger, LINKE-Fraktionschef) und Gert (Rudolf, CDU-Fraktionschef).
Ja, kann man verlangen, dass Ronald gehen muss, weil man nicht in einem Raum sitzen kann, mit jemanden, der einem NPD-Antrag zugestimmt hat? Müsste diese Empfindlichkeit nicht dazu führen, dass man an keinem Ausschuss und an keiner Landtagssitzung teilnehmen kann? Oder ist es leichter, es mit NPD-Kadern auszuhalten?
Und warum fordert nicht einer der Ausschlussverfechter, den Rücktritt des stellvertretenden Landesvorsitzenden Enrico Stange, der mit dem Kommunalpolitischem Forum NPD-Kader - um deren politische Herkunft wissend - geschult hat?
Nun, es geht um anderes. Die meisten können Ronald nicht verzeihen, dass er seine Meinung sagt, dass er sie kritisiert, auch öffentlich.
Ja, die Kreisvorsitzenden haben den Ausschluss verlangt. Doch wurde ihnen gegenüber manche Tatsache verdreht dargestellt. Auch ist die Stimmung an der Basis nicht einheitlich. In Glauchau und Meißen ist es anders als in Roßwein oder Döbeln. Da muss man sich nur mal umhören. Anscheinend bestimmen die Kreischefs den Ton mit, ist die Stimmung an der Basis ein Zeichen für die politische Praxis der letzten Jahre vor Ort. Nun, man kann Ronald vorwerfen, dass man Angst vor seinen nächsten Äußerungen haben muss. Eine angenommene Zukunft dient als Ausschluss? Doch muss man das? Was soll kommen? Wovor muss man Angst haben? Ginge es nicht darum, sich über die Probleme und Fragen auszutauschen? Wer Ronald kennt, der weiß, wie er Probleme artikuliert. Dann muss man auf ihn zugehen.

Nun, manche Lehrerinnen und Lehrer können böse Kinder nur abstrafen, in die Ecke stellen, vom Unterricht ausschließen, der Schule verweisen. Warum sollte dies in der Politik anders als in der Schule sein.
Ja, viele kritisieren nicht erst einmal im persönlichen Gespräch, sondern dann, wenn die Führung es erlaubt. Fast alle auf einen, dass ist nicht nur unfair, dass ist unmenschlich. Das ist kein Sozialismus mit menschlichem Antlitz.

Ich weiß, er teilt wesentlich mehr Positionen mit der LINKEN als mit der CDU. Doch die Schnittmengen ausfindig zu machen, haben weder der Fraktionsvorstand noch Abgeordnete der Fraktion versucht. Die LINKE ist eine neue Partei. Sie ist nicht mehr die PDS. Die wurde anscheinend in die „Mottenkiste“ (Rico Gebhardt in einer Pressemitteilung vom 28.08.08) gesperrt. Und damit wohl auch ein Teil der Toleranz und des Pluralismus.