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MDR: Konzentrieren und Investieren PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Heiko Hilker   
Sonntag, 10. Oktober 2010 um 06:56

Hier mein Beitrag, der im Auslöser. dem Magazin des Sächsischen Filmverbandes erschienen ist:

 

Viele traf es wie ein Blitz aus heiterem Himmel, als MDR-Intendant Prof. Udo Reiter Mitte April verkündete, dass der MDR in den nächsten Jahren massiv sparen müsse und dabei auch nicht das Programm ausnehmen könne. Steigende Befreiungsquoten sowie die anhaltende Abwanderung aus dem Sendegebiet würden dafür sorgen, dass die Zahl der Gebührenzahler immer weiter abnimmt. Bis zum 31.12.2016 könne man nur durchhalten, wenn einerseits alle Rücklagen aufgebraucht, andererseits bis dahin ca. 115 Mio. Euro eingespart würden. Doch stimmt dies so?

 

Nun, die Annahmen der Modellrechnung stimmen zumindest nicht. So nimmt man an, dass es zum 1.1.2013 eine Gebührenerhöhung gibt, mit der der MDR je Gebührenzahler 50 Cent mehr im Monat erhält. Doch mit der Umstellung auf die Haushaltsabgabe ist es u.a. das politische Ziel der sächsischen Staatsregierung, dass die Gebühr nicht mehr als 17,98 Euro im Monat beträgt.

Und so wird klar: die Geschäftsführung des MDR nutzt die Gunst der Stunde, um Umstrukturierungen voranzutreiben. Allerdings ist fraglich, wen es dabei zuerst und am stärksten treffen wird. Werden zuerst die Ressourcen im Unternehmen genutzt? Oder gehen die Lösungen vor allem zu Lasten der freien Mitarbeiter sowie der unabhängigen Produktionsfirmen? Inwieweit bleibt die Entwicklung des Medienstandorts im Blick?

Zuallererst gehören die senderinternen Strukturen auf den Prüfstand. Wozu braucht man im TV-Dokumentationsbereich eine Doppelstruktur mit zwei vollbesetzten Redaktionen, die dieselben Sendeplätze bestücken? Können hier nicht Stellen „umgesetzt“ werden? Wieso werden in Zeiten knapper Kassen Stellen extern ausgeschrieben, wie bei der Geschichte Mitteldeutschlands? Für jede intern freigesetzte Stelle können mehrere freie Mitarbeiter gehalten werden. Viele von diesen haben nur einen geringen „Umsatz“ mit dem MDR. Die Zahl ihrer Schichten ist auf 72 im Jahr begrenzt. Zum Teil soll das Honorar von 200 Euro noch gesenkt werden. Produzenten klagen, dass Verantwortliche in den Landesfunkhäusern versuchen, die gleiche Leistung (z.B. NiF) zum halben Preis zu bekommen, obwohl das Spitzenpersonal bisher keinen Sparbeitrag leistet.

Dabei sind mehr als 10% aller MDR-Mitarbeiter, laut Soll-Stellenplan 220 Mitarbeiter, in der Vergütungsgruppe II und höher eingestuft. Allein 42 werden außer Tarif bezahlt. Sie verdienen zumeist 5.000 Euro und mehr im Monat. Warum bieten die Spitzenverdiener im MDR nicht einen Solidarpakt an, mit dem die Personalkosten insgesamt um 4% sinken? So würde man 4,5 Mio. Euro im Jahr freisetzen.

Es ist an der Zeit, in der ARD die Ausgaben für die degeto und die SportA zu überprüfen. Lagen diese 2008 noch bei ca. 640 Mio. Euro, sollen es 2012 mehr als 703 Mio. Euro sein. Davon übernimmt der MDR mehr als 10,85%. Allein die Verpflichtung von Günther Jauch kostet den MDR 1,1 Mio. Euro im Jahr. Auch wenn die Intendanten die Steigerung (!) der Ausgaben für die GSEA (Gemeinschaftssendungen, -Einrichtungen und -Aufgaben) von 1,5 auf 0,7% reduzieren wollen: Die jährliche Steigerung in den GSEA um 0,7% entzieht dem MDR von Jahr zu Jahr zusätzlich fast 1 Mio. Euro, in 2016 also 6 Mio. Euro. Und so muss der MDR 93% der Mehreinnahmen aus der letzten Gebührenerhöhung an die GSEA abführen. Der MDR ist also doppelt gefangen: die Gebühreneinnahmen sinken und das ERSTE will von Jahr zu Jahr mehr Geld. Wenn es die Ausgaben der GSEA, um 100 Mio. Euro zu reduzieren, so wäre der Etat des MDR mit 10 Mio. Euro weniger belastet. In sechs Jahren würde dies 60 Mio. Euro, also über die Hälfte des notwendigen Sparvolumens ausmachen.

Auch muss der MDR nicht auf jeden neuen Verbreitungsweg setzen, um den Zielgruppen zu folgen bzw. neue zu erschließen. Der MDR muss nicht der Innovations- und Technologietreiber sein, der privaten Anbietern den Markt bereitet.

Die Tochterfirmen gehören auf den Prüfstand. So ist es offensichtlich schwierig, insbesondere neueste Technik am Markt zu refinanzieren. Die Nachfrage des MDR ist zu gering, um die Investitionskosten zu refinanzieren. Andere Nachfrager gibt es im Sendegebiet kaum. Andere ARD-Anstalten nutzen ihre Töchter bzw. Firmen vor Ort. So hat man in der Media Mobil GmbH zwar die neuesten digitalen Ü-Wagen, doch die Auslastung lässt zu wünschen übrig. Es ist fraglich, ob sich dies angesichts des Sparprogramms ändern wird. Auch aus diesem Grunde sind Struktur, Geschäftsfelder sowie –ziele der outgesourcten Firmen zu hinterfragen.

Eine engere Kooperation mit dem RBB macht Sinn, wenn man Sendungen und Produktionen austauscht, wenn man Verwaltung zusammenlegt, wenn man gemeinsam in Technik investiert. Es macht keinen Sinn, wenn das Produktionsvolumen abnimmt. Die eigene regionale Berichterstattung sollte man so nicht ersetzen.

Der MDR bekommt dafür Gebührengelder, Programm zu machen. Dieses Programm soll zur öffentlichen Meinungs- und Willensbildung beitragen. Es soll Information, Kultur, Bildung und Unterhaltung bieten. Das ist nicht zum Nulltarif zu haben. 614 Mio. Euro, mit denen man im Jahre 2016 rechnet, sind nicht wenig. Es sind über 50 Mio. Euro mehr als 1996.

Zudem gibt es beim MDR bisher keine Strategie, wie man zu wesentlichen Mehreinnahmen kommt. Andere Sender investieren in Produktionen, um diese auch auf den Weltmärkten zu vermarkten. Der WDR erweitert das Geschäftsfeld seiner WDR Mediagroup entsprechend. Allerdings müsste man dann zum Beispiel bei Dokumentationen nicht nur Mittel für 30 oder 45 Minuten zur Verfügung stellen, sondern für 58 Minuten, wie sie auf dem internationalen Markt nachgefragt werden. Weder beim Verkauf von Produktionen noch von Formaten nehmen die deutschen Sender eine führende Position ein, und dies, obwohl der öffentlich-rechtliche Rundfunk weltweit die meisten Gebührenmittel zur Verfügung hat.

All dies zeigt: es gibt viele Stellschrauben, an denen man drehen kann, ohne die mitteldeutsche Produzentenlandschaft zu belasten.

„Leipzig kommt“, so hieß es zwar noch nicht Anfang der 90er Jahre. Doch das Ziel war klar. Leipzig sollte den Aufstieg in die erste Liga der deutschen Medienstädte schaffen. Dafür wurden Gebührenmillionen in Gebäude, Technik und Tochterfirmen investiert. Der Aufstieg wurde nicht geschafft. Nur wenn der MDR auch weiter zielgerichtet investiert, kann er seinen Stand halten und ausbauen: als regional verankerte, journalistisch kompetente und innovative „Stimme Ostdeutschlands“. Dafür muss sich der MDR konzentrieren, dafür muss er investieren.