Machtfrage als Feind emanzipatorischer Politik Drucken
Geschrieben von: Heiko Hilker   
Sonntag, 05. Oktober 2008 um 20:17

Wer die Machtfrage hingegen annimmt, begibt sich auf das Feld jener Feindschaft, die den Krieg als Möglichkeit in sich trägt. Die Wahrscheinlichkeit, auf diesem Feld zu unterliegen, ist hoch. Doch ein Sieg führt auch nicht viel weiter. Es gibt kein Feld, auf dem so wenig Platz für Emanzipation ist,

wie auf dem Feld der Feindschaft.
Die Frage mag abstrakt klingen, ist aber durchaus konkret: Wie geht man mit Herrschaftsverhältnissen um, die mit allen Mitteln der Feindschaft aufrecht erhalten werden, ohne dabei die Feindschaft zur Grundlage des eigenen Handelns zu machen? Eine Mehrheit zu sein, reicht nicht aus - man muss auch Macht- und Gewaltmittel in der Hand haben, um der Mehrheit Geltung zu verschaffen. Doch wo führt diese Konfrontation hin? Bolivien ist heute das demokratischste Projekt in Lateinamerika. Die Regierung Morales ist aus Basisbewegungen hervorgegangen und kommt ohne Personenkult aus. Anders als Chávez kann man Morales nicht begründet vorwerfen, die Öffentlichkeit künstlich polarisiert zu haben. Doch es scheint, dass die Regierung Morales genau deshalb heute die größten Schwierigkeiten in Lateinamerika hat: Mit der rassistisch aufgepeitschten Mittel- und Oberschicht und ihren Unterstützern in den USA gibt es nichts zu reden.
Zwischen Bedeutungslosigkeit und der Logik der Feindschaft scheint es keinen emanzipatorischen Platz zu geben. Und wahrscheinlich ist es ein Privileg, sich nicht für die Feindschaft entscheiden zu müssen.

Raul Zelik im FREITAG 40/2008

 

 
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