ARD schafft es nicht, den „Sturm auf die Stasi“ in die historische Situation einzuordnen Drucken
Geschrieben von: Heiko Hilker   
Sonntag, 03. Oktober 2010 um 23:41

"Selbst beim Untergang führte die Stasi Regie“, behauptet man auf tagesschau.de. Und dies, obwohl die NDR-Dokumentation „Sturm auf die Stasi“ die Beweise schuldig bleibt. „Als vor 20 Jahren die Fernsehbilder vom Sturm auf die Stasizentrale in Berlin um die Welt gingen, war das natürlich eine Sensation. Am 15. Januar 1990 war es Tausenden Demonstranten gelungen, den mächtigen Spitzelapparat in der Berliner Normannenstrasse zu besetzen und damit zu verhindern, dass noch mehr geheime Akten im Reißwolf landeten“, schreibt Tilman Bünz. Doch zuvor waren schon andere Stasi-Zentralen in den Bezirken besetzt worden. Und Akten wurden in der „Zentrale“ auch danach weiterhin vernichtet.

„Das Dokudrama schafft es nicht, der Wahrheit auf den Grund zu kommen. Weder, was die Rolle der Stasi bei ihrer Erstürmung anbelangt, noch, was die Vermutungen angeht, dass auch westliche Geheimdienste am 15. Januar ihre Leute in der Stasi-Zentrale hatten. Es bleibt bei Andeutungen, die Spekulationen nähren, aber keine Gewissheit schaffen“, schreibt Christian Helten im Tagesspiegel.

Jeder, der sich mit der Wende in der DDR beschäftigt, kann wissen, dass das MfS ab September 1989 weitgehend führungslos war. So wie sich die Führung in Partei, Armee und Polizei wegduckten, war es auch beim MfS. Immer mehr Entscheidungen mussten vor Ort getroffen werden. Das hätten die Redakteure wissen können. Zumal einige von ihnen zum Netzwerk Recherche gehören und immer wieder investigativen Journalismus einfordern.

Nun, sicher, die Form hat den Inhalt mit bestimmt. Es ist schwer, die Hintergründe zu erhellen, die historische Situation entsprechend abzubilden, wenn man die Ereignisse des 15. Januar 1990 vor allem entlang des Tagesablaufs einzelner Menschen erzählt. Da stehen die subjektive Sicht, die Erinnerung im Vordergrund. Und sicher - dieser Tag kann für einzelne ein Wendepunkt in ihrem Leben gewesen sein.

Doch der 15. Januar 1990 war mit dem „Sturm auf die Stasi“ kein historischer Wendepunkt. Er war auch kein Endpunkt. Doch er wird zu einem Ereignis gemacht. Durch den NDR. Durch die ARD. Für das ERSTE. Für die neue deutsche Geschichtsschreibung.

Der Geheimdienstexperte der Berliner Zeitung, Andreas Förster, stellt fest: „Wer es nicht besser weiß und sich morgen Abend im Ersten die NDR-Dokumentation "Sturm auf die Stasi" anschaut, könnte leicht auf die Idee kommen, dass Ost-Berlin noch am 15. Januar 1990 haarscharf am Bürgerkrieg vorbeigeschrammt ist. Was für ein Schmarrn!“ Er kommt zu dem Schluss: „Doch eine gespürte Gefährdung ist etwas anderes als eine tatsächliche. Die NDR-Dokumentation macht diesen Unterschied nicht und verfälscht damit die realen Geschehnisse.“

 

 
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